Technische Entwicklung der europäischen Militärrevolver
Obwohl das Prinzip der Revolverwaffen schon seit Jahrhunderten bekannt war, wurde 1835 von Samuel Colt die ersten Revolverpistolen für Perkussionszündung konstruiert und von ihm patentiert. Bereits 1847 erreichten Revolverpistolen auch in Europa einen größeren Bekanntheitsgrad. London, Birmingham, Liège und Paris wurden Zentren der europäischen Revolverherstellung und -weiterentwicklung. 1851 konnte Robert Adams in London das Prinzip der Colt'schen Revolver mit Hahnspannung (die Trommel wird durch Spannen des Hahnes um eine Position weiterbewegt) verbessern, indem er den „self cocking revolver“, also einen Revolver mit Abzugsspannung (durch Durchziehen des Abzugs spannt sich der Hahn und die Trommel wird weiterbewegt) erfand. Weiterhin hatte der Adams-Revolver einen geschlossenen Rahmen mit einer Brücke über dem Zylinder. 1855 wurde der Revolver von Adams durch F. B. E. Beaumont weiterentwickelt, in dem er das Prinzip der Doppelspannung erdachte. Die Doppelspannung vereinigt die Funktionsprinzipien der Hahn- und der Abzugsspannung miteinander und erlaubt die Bedienung des Revolvers auf beiderlei Weise (Durchziehen des Abzuges oder Spannen des Hahnes von Hand). Auf diese Weise war eine schnelle Schußfolge möglich aber genauso der präzise Einzelschuß. Damit hatten die Perkussionsrevolver ihren technischen Höchststand erreicht.
Trotz Verbesserungen der Ladeweise durch die Erfindung von Papierpatronen, welche das Treibladungsmittel mit dem Projektil vereinten oder der Benutzung von bereits geladenen Reservezylindern, die mit wenigen Handgriffen ausgetauscht werden konnten, blieb die Ladeweise der Perkussionsrevolver kompliziert und fehlerträchtig und verhinderte somit einen großflächigen Einsatz der Revolver bei den Landstreitkräften. Gerade das Entladen bei Nichtgebrauch ist bei Perkussionswaffen, sofern es nicht durch Abfeuern der Ladung erfolgt, äußerst umständlich, da zuerst, die Zündhütchen vom Piston entfernt, die Kugeln aus den Trommelkammern mittels eines Kugelziehers gezogen und dann das lose Pulver aufgefangen werden muss. Meist sind nach dieser Prozedur Kugel und Pulver unbrauchbar.
Am 15. April 1854 erhält Eugène Lefaucheux das Patent für eine von ihm konstruierte Metallpatrone, die Zündmittel, Treibladung und Geschoß zu einer Patrone vereinigte. Dies vereinfachte die Ladeweise der Revolverwaffen enorm und erweckte das Interesse der Militärs für diese Art von Waffen.. Die Revolver konnten nun selbst von ungeübten gefahrlos bedient und innerhalb von Sekunden ge- und entladen werden. Außerdem ist die Pulverladung durch eine geschlossene Metallhülse besser vor Witterungseinflüssen geschützt und bleibt somit länger funktionsfähig. In vielen europäischen Staaten (besonders in den Skandinavischen Nationen) wurden die von Lefaucheux entwickelten Revolver reglementierte Dienstwaffen.
Zur vollständigen Anerkennung des Revolvers als vollwertige und brauchbare Bewaffnung kam es durch die 1860 beginnende Verbreitung der Zentralzündungspatronen, die 1859 durch Jules Perrin eingeleitet worden war.
Eine kurze chronologische Auflistung der technischen Entwicklungen, die für die europäischen Militärrevolver relevant sind, findet sich in folgender Tabelle (Tabelle 2: Chronologische Auflistung der für die europäischen Militärrevolver relevanten technischen Entwicklungen) wieder.
Zusammenfassung |
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Samuel Colt, 1835 und 1849 |
Entwicklung einer Revolverpistole auf Basis der Perkussionszündung. Der Revolver von Colt besteht aus 3 Hauptteilen:
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Robert Adams, 1851 |
Entwicklung der Abzugsspannung und des geschlossenen Rahmens |
Eugène Gabriel Lefaucheux, 1854 |
Verbesserung der papiergewickelten Stiftzündungspatrone durch Verwendung einer Ganzmetallhülse. Neuartiges Revolvermodell:
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Adams-Beaumont, 1855 |
Entwicklung des Doppelsspannung-Schlosses für den Adams Revolver. |
William Tranter, 1856 |
Weiterentwicklung des Systems der Doppelspannung |
Gilles Mariette, 1856 |
Vereinfachung der Doppelspanner-Schloßkonstruktion durch einen federnd mit dem Hammer verbundenen Mitnehmer. |
Hubert Joseph Comblain, 1859 |
Verbesserung und Vereinfachung der Konstruktion von Mariette mittels einer Doppelschenkel-Hauptfeder mit folgender Funktion:
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Louis Perrin, 1859 |
Neue Revolverbauweise:
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Jules Chaineux, 1862 |
Verbesserung der Schloßkonstruktion |
Auguste Francotte, 1865 |
Verbesserung des Schloßes von E. G. Lefaucheux zur Doppelspannung. |
Augusto Albine, 1869 |
Erfindung des seitlich aus dem Rahmen ausschwenkbaren Zylinders mit Extraktorstern |
Günther-Latouche, 1870 |
Weiterentwicklung der abnehmbaren Schloßplatte, so das die Schloßteile bei Öffnen der Platte an ihrem Platz bleiben konnten. |
Chamelot & Delvigne, 1871 |
Patent auf:
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Jean Warnant, 1875 |
Neue wegweisende Schloßkonstruktion. Doppelschenkelfeder hat folgende Funktionen:
Nach Abgabe eines Schusses und Loslassen des Abzuges wurde der Hammer durch den Druck des unteren Federschenkels in die Sicherheitsrast zurückgeschoben und gegen das Vorwärtsgleiten blockiert. Somit konnte die Schlagspitze den Patronenboden nicht mehr unbeabsichtigt berühren. |
G. Abadie, 1876 |
Neue Sicherungskonstruktion in Zusammenhang mit der Ladeklappe. Bei geöffneter Ladeklappe konnte der Abzug des Revolvers durchgezogen werden, ohne daß der Hahn abgeschlagen wurde. Der Trommeltransport fand aber trotzdem statt. So konnten die Revolver einfach und sicher ge- und entladen werden. |
Emile und Léon Nagant, 1878 |
Neues Revolvermodell mit längs geteiltem Rahmen. Durch Lösen der Zentralschraube konnte die linke Rahmenseite genommen und der Revolver ohne Zuhilfenahme weiterer Werkzeuge zerlegt werden. |
Owens Jones, 1878 |
Konstruktion eines Revolvers mit automatischem Extraktor durch Niederdrücken des Laufes und einem damit verbundenen, horizontalen Vorziehen des Zylinders zum Laden und Entladen. |
P. Webley & Son, 1887 |
Konstruktion eines Kipplaufrevolvers, der sich mit einer Hand öffnen und schließen ließ. Weiterhin besaß der Revolver einen Patronenextraktionsmechanismus. |
Colt's Patent Firearms Manufacturing Co. 1889 |
„Positive Safe“ Schloßkonstruktion. Ein in das Schloß eingebaute Hebelkonstruktion mit einem langen Schenkel legte sich bei entspanntem Hammer vor die Stirnfläche und verhinderte eine unbeabsichtigte Berührung der Schlagspitze des Hammers mit einer Patrone. Dies hatte eine Verbesserung der Waffensicherheit bei Bruch der Sicherheitsrast oder bei Fall der Waffe zur Folge. |
Henrie Pieper, 1889 |
Gasdichter Abschluß zwischen Lauf und Patronenhülse durch horizontales Verschieben des Zylinders beim Zurückziehen des Abzuges oder Spannen des Hahnes. |
Léon Nagant, 1889 |
Ebenfalls gasdichter Abschluß zwischen Lauf und Patronenhülse. Die Gasdichtung erfolgte beim Zurückziehen des Abzuges oder Spannen des Hahnes durch das Hochschieben eines im Rahmen untergebrachten vertikalen Keiles, der den beweglichen Stoßboden und den Zylinder nach vorwärts schob, unterstützt durch den Umsetzhebel für den Zylinder. |
Tabelle 2: Chronologische Auflistung der für die europäischen Militärrevolver relevanten technischen Entwicklungen