Die militärische Bedeutung des Revolvers

Im europäischen Umfeld, war der Revolver die erste mehrschüssige Schußwaffe, die von den Militärs eingeführt wurde.

Obwohl es bereits im 16. Jahrhundert Waffen gab, die das Prinzip des Revolvers bereits umgesetzt haben, ermöglichte erst die Erfindung der Perkussionszündung und des Zündhütchens die Entwicklung zuverlässiger und einfach handhabbarer Revolver und machte sie für den Militärdienst brauchbar. Waren die Steinschloß- und Perkussionspistolen aufgrund ihrer umständlichen Ladeweise , ihrer geringen Treffsicherheit und Energieausbeute der Geschosse in der Hand der berittenen Soldaten nur eine Nebenwaffe und wurde hauptsächlich als Signalmittel eingesetzt, so änderte sich das Bild in Amerika nach der Entwicklung des Perkussionsrevolvers. Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) erwies sich der Kampfwert des Revolvers deutlich. Trotzdem dauerte es lange, bis die europäischen Militärs sich die Erfindung des Revolvers nutzbar machten und die Revolver großflächig einführten und reglementierten. Lange blieben die Militärs den althergebrachten Waffensystemen der Perkussionspistolen und -gewehren verbunden und warteten erst die Erfindung der Metallpatronenhülse ab, bevor sie den Revolvern den Vorzug gaben. Gründe für diese Ablehnung waren unter anderem das Mißtrauen, das waffentechnischen Neuerungen entgegen gebracht wurde, das Festhalten an überholtem Strategiedenken und nicht zuletzt die hohen Kosten, die mit der Herstellung und Beschaffung der Revolver verbunden waren.

Erst ab ca. 1870 folgte die Annahme von Revolverpistolen als Teilbewaffnung in den Armeen der europäischen Staaten. Fast immer wurden zunächst die berittenen Truppen und darauffolgend die bespannte Artillerie mit Revolvern ausgerüstet. Erst danach erhielten Spezialtruppen Revolverpistolen. Während die Kavallerie Revolver auch auf kurze Entfernungen wirkungsvoll einsetzen konnte, blieb für die Infanterie das Gewehr mit seiner großen Reichweite die Hauptwaffe.

Die Marinestreitkräfte waren den Revolverpistolen gegenüber aufgeschlossener. Die Umstände der Seekriegsführung mit ihrem räumlich und zeitlich eng umgrenzten Schlachtgeschehen während des Enterns eines Schiffes, der begrenzten Mannstärke und beengtem Handhabungsspielraum für das Laden der Waffen, machten die Einführung einer feuerstarken Kurzwaffe zwingend notwendig. So ist es nicht verwunderlich, daß die Marinestreitkräfte die Revolver bereits zur Perkussionsära einführten. Somit waren sie den Landstreitkräften etwa 10 Jahre voraus, selbst wenn sie die Waffen nicht reglementierten.

Einführung des Revolvers in den Europäischen Staaten, die Daten in Klammern geben die Jahreszahlen der ersten Versuche wider:

Land

Armee

Marine

Belgien

1878 (1859)

-

Bulgarien

1874

-

Dänemark

1865 (1854)

1861

Sachsen

1873

-

Deutsches Reich

1879 (1852)

1869 (1857)

Frankreich

1873 (1859)

1858 (1855)

Großbritannien

1854 (1819)

1854 (1819)

Italien

1861

1858

Luxemburg

1884

-

Niederlande

1873 (1868)

1860

Norwegen

1864

1862

Österreich /Ungarn

1870 (1860)

1859 (1849)

Portugal

1878

1863

Rumänien

1864

1864

Russland

1871 (1858)

1875 (1857)

Schweden

1863

1863

Schweiz

1872 (1871)

-

Spanien

1863 (1860)

1859

Tabelle 3: Einführungsdaten der europäischen Revolver1



Die Entwicklungen der Mantelgeschosse, der Metallpatronenhülse mit Zündhütchenzündung und des rauchlosen Pulvers läuteten aber auf längere Sicht gesehen das Ende der Vorherrschaft des Revolvers als Kurzwaffe des Militärs ein, obwohl sie dessen Einführung erst ermöglichten (siehe Seite 5 Kapitel1.2)

Das Mantelgeschoss war notwendig, um den Beanspruchungen eines automatischen Ladevorgangs zu widerstehen. Die Patronenhülse mit Zündhütchen erlaubte eine automatische Zuführung von Geschoß, Treibladung und Zündmittel. Das rauchlose Pulver war notwendig, um einerseits die Verschmutzung der empfindlichen Mechanik der Pistole zu vermeiden und auch um die notwendige Energie auf dem engen Raum der Patrone zur Verfügung zu stellen.

Die erste, funktionierende Pistole wurde 1892 von dem Österreicher Schöberger hergestellt und obwohl sie nur in sehr begrenzten Stückzahlen auf den Markt kam, begann mit ihr die Ablösung der Revolver.

Jedoch konnte der Revolver sich trotz aller Vorteile der Pistolen (schnelle Schußfolge, schnelle Nachladbarkeit, hohe Feuerkraft) bei einigen Armeen bis nach dem 2. Weltkrieg behaupten (z. B. Großbritannien) und versieht auch heute noch bei sehr vielen Polizeieinheiten Dienst, da er mit besserer Handhabungs- und Funktionssicherheit sowie schnellerer Schußbereitschaft auch unter schwierigen Bedingungen punkten kann.

1Die unterstrichen gekennzeichneten Länder sind die Länder des Themengebiets